Die Legende von Pirin und Rila

Das Gebirge ist Freude. Das Gebirge ist Leben. Das Gebirge verleiht Energie. Durch die Berge zu wandern ist ein unglaubliches, aufregendes und einzigartiges Abenteuer. Jedes Mal ist es neu, verändert, nicht immer gastfreundlich, aber immer schön. Die Berge verzaubern! Wenn du sie kennenlernst, liebst du sie für immer.
Um das Gebirge kennenzulernen, muss man ihn nicht nur „umwandern“, sondern auch Volksmärchen lauschen, in Märchen eintauchen und etwas mehr über das Gebirge erfahren.
Es gibt so viele Volksmärchen und Legenden, dass es ohne ihre Vielfalt keine Möglichkeit gibt, das Gebirge wirklich zu „verstehen“!
Einer alten Legende zufolge war das Rila Gebirge einst eine Jungfrau und ihr geliebter Junge, den sie heiratete, hieß Pirin.
Rila und Pirin heirateten gegen den Willen ihrer Eltern. Sie waren mit dieser Heirat nicht einverstanden, weil sie Pirin nicht kannten und keine Ahnung hatten, woher er kam, wer er war, wessen Sohn er war und ob er einen Beruf hatte, mit dem er den Lebensunterhalt seiner Familie verdienen konnte. Rila selbst war ein sehr schönes, schlagfertiges und eigensinniges Mädchen – was auch immer sie entschied, das tat sie, ohne auf die Worte ihrer Eltern zu hören.
Die beiden Verliebten heirateten ohne Hochzeit und Zeugen, ohne Feiern und Lieder, ohne den Segen ihrer Eltern. Sie entschieden sich dafür, abseits der Menschen an einem hochgelegenen und abgeschiedenen Ort zu leben. Nicht lange danach wurden zwei wunderschöne Kinder geboren – ein Junge und ein Mädchen. Sie nannten sie Iskar und Mesta – Namen, die noch niemand zuvor gehört hatte. Während die Mutter den Haushalt führte und sich um die Kinder kümmerte, ging der Vater auf die Jagd. Die beiden Kinder waren sehr ausgelassen und schelmisch. Sie stritten sich, sie haben den ganzen Tag lang lang Krach bis zum Himmel gemacht. Ihre Mutter war damit überhaupt nicht einverstanden und beschwerte sich beim Vater und flehte ihn an, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und sie mit väterlichem Wort und väterlicher Präsenz zu zähmen.
Aber Pirin hörte nie auf seine Frau Rila und schenkte ihren Beschwerden keine Beachtung. Sein Anliegen war ein anderes – er kümmerte sich um die Versorgung seiner Kinder mit Nahrung und Kleidung, und er überließ die Erziehung ihrer Mutter.
Einmal stritten beide Kinder sehr, sagten schlimme Worte zueinander und gerieten sogar in einer Schlagerei. Diesmal konnte ihre Mutter es nicht ertragen und äußerte ihre Trauer. Rila begann ihr Schicksal zu verfluchen, sie wünschte sich, dass ihre Kinder sich nie wiedersehen würden und dass alle Menschen Angst hätten und vor ihnen davonlaufen würden. Sie selbst flehte darum, versteinert zu werden, damit sie für immer schweigen konnte, und statt ihrer Kinder wollte sie, dass die Bäume ihre Kinder seinen. Sie verschonte auch Pirin nicht und wünschte, dass er, wie sie, vor der Schande, die ihre Kinder ihnen zugefügt hatten, versteinert würde, um seine Ehre zu bewahren und nicht von den Menschen verspottet zu werden.
Sobald Rila die schweren Worte ausgesprochen hatte, leuchtete ein starker Blitz am Himmel auf und zerschnitt den Himmel wie eine Peitsche. Einen Moment später war auch ein schrecklicher Donner zu hören, der sie in den Berg verwandelte, wie wir ihn heute kennen. Zur gleichen Zeit war Pirin auf der Jagd, und als er da stand, versteinerte auch er und verwandelte sich ebenfalls in einen Berg.
Ihre beiden Kinder wurden zu Flüssen. Das Mädchen Mesta war sanftmütiger und keuscher als ihr Bruder, sie führte ihr Wasser sanftmütig und ruhig den Berg hinunter. Ihr Bruder Iskar, wild und widerspenstig, stürmte geradeaus, durchbrach den Berg und stürzte kopfüber direkt auf das Feld hinab. Da er keinen Ort hatte, an dem er das immer größer werdende Wasser beruhigen konnte, machte er sich, angetrieben von den Tränen seiner Mutter, auf den Weg zum Balkan. Er hat seinen Weg gemacht und ist mit den Wassern der Donau verschmolzen – unbändig und eigensinnig wie die Donau selbst.
Von diesem Tag an hörte Iskar nichts mehr von seiner Schwester Mesta. Wie jede Mutter beobachtet Rila sie auf ihrem Weg, verlor sie dann aber aus den Augen. Pirin hat Iskar nie wieder gesehen und trauert seit diesem traurigen Tag um seinen Sohn. Deshalb ist seine dem Sofia-Feld zugewandte Seite immer grün und dunkel und wird selten von der Sonne beleuchtet. Zu seinem Trost sieht er Mesta, die ihn aufmuntert und seine Seele mit väterlicher Liebe erfüllt. So lächelnd und verführerisch zieht er Menschen zu sich hoch, damit auch sie auf seine wunderschöne Tochter herabblicken und sie gemeinsam mit ihm bewundern können.